STORYS 1979

Motorsport Yesterday: Anekdoten und Fahrer-Storys 1979

"Für mich hat sich ein großer Wunschtraum erfüllt. Ich habe die Weltmeisterschaft gewonnen. Das war der Grund, weshalb ich zu Ferrari gewechselt bin, doch leichtgefallen ist mir der Titelgewinn ganz sicher nicht." (Jody Scheckter, 1979)

Danke Grand Prix Story 1979
Danke Grand Prix Story 1979

Rezension - Die Stimme von Heinz Prüller begleitete mich durch die Jahrzehnte. Bis zum Jahr 2000 kommentierte der Österreicher bereits über 500 Formel 1-Rennen. Eine absolute Kaufempfehlung für gemütliche Winterabende ist seine Grand Prix-Story! Nachfolgend ein paar Anekdoten und Fahrer-Storys (etwas gekürzt und umgestaltet) zur 1979er Ausgabe: Franzosen, Araber, Ferrari, Lauda...

Ich sitze mit Niki Lauda in unserem südafrikanischen Stammbeisel Fiddler: "Glaub mir, der WM-Titel ist nicht so viel wert wie die Semmel da am Tisch. Nur eine Anzahl von Rennen. Aber Rennen, die ich gewinnen will." Doch es kommt anderes. 13 Rennen und 11 Ausfälle später steigt Lauda mitten im Montreal-Training aus dem Auto: "Es gibt kein Argument mehr, wenn Freude und Spaß verloren gegangen sind. Und der Dreikampf Scheckter-Villeneuve-Laffite ist heuer so spannend, da will ich mit meinem einzigen WM-Punkt nicht weiter stören." Niki Lauda, der Ex-Rennfahrer wirkt dabei locker, gelöst, glücklich und vollkommen entspannt - verabschiedet sich und fliegt über Los Angeles heim...

Ein wilder Saisonbeginn in Buenos Aires: Die 6. Startkollision in 7 WM-Läufen hintereinander löst Watson im Duell mit Scheckter aus. Kettenreaktion und Massenkarambolage folgen. Nelson Piquet sitzt eingeklemmt im Brabham. 6 Ärzte sind dort, aber augenscheinlich alle überfordert. Einer zerrt da, an einem Bein, einer dort, doch keiner kriegt den fürchterlich schreienden, armen Kerl aus dem Cockpit. Lauda und Arturo Merzario eilen herbei und packen an. Der Brasilianer kommt mit schweren Prellungen davon. Den Neustart gewinnt Patrick Depailler, doch sein Teamkollege Laffite zieht in Runde 11 nahezu spielend vorbei und gewinnt überlegen...

Nelson Piquet erzählt mir seine Familiengeschichte: "Mein Vater Estacio Souto Maior war Kongressmann in Rio de Janeiro. Er wollte immer, das ich Tennis spiel, aber als ich anfing, Karts zu fahren, war er dagegen, wegen der Politik. Also nahm ich den Mädchennamen meiner Mutter." Sein Vorbild ist Niki Lauda: "Ich könnt ihm stundenlang zuschauen oder zuhören und lern jeden Tag was Neues vom Gringo." Privat läuft das 27jährige "Sonntagskind" gern Wasserski, ist mit Maria-Clara verheiratet und hat einen Bub, Geraldo, 2 Jahre. Piquet verdrängt Emerson Fittipaldi immer mehr aus den Herzen seiner Landsleute. Sogar Maria-Helena schwärmt: "Unterem Helm hat Nelson genau die gleichen Augen wie mein Emerson..."

Und Jaques Laffite? Ein Geheimtipp für den WM-Titel? "Ich selber halte mich dazu befähigt und das Team ist gut genug, den Titel zu gewinnen." Der Freiheitsdrang des Pariser Rechtsanwaltssohnes war immer gewaltig, aber Vaterfreuden ließen die Hochzeitsglocken läuten. Tochter Camille erblickte in der "Kyalamiwoche" 1978 das Licht der Welt. Zwischenstopp Bariloche: Zum großen Hobby Fischfang mit Regazzoni und Jabouille. In Sao Paulo geht die Ligier-Show weiter. Gegner? Weit und breit keine! Frankreich feiert ihren "La Frite" (was auf deutsch-wienerisch soviel wie energiegeladener "Springinkerl" bedeutet) bereits auf den Titelseiten der Illustrierten. Doch in Südafrika ist erstmals ersichtlich, dass Mauro Forghieri mit dem 312 T4 "das beste Rennauto meines Lebens" (Enzo Ferrari) baute...

Krügerpark. Ich befinde mich mit Ex-Weltmeister Emerson Fittipaldi auf Safari. Der Brasilianer ist sehr aufmerksam und hat eine starke Beziehung zu Naturereignissen: "Eben habe ich auf einer riesigen Farm 138000 Orangenbäume gepflanzt. Praktisch auf einer Insel, rechts und links von Flüssen abgegrenzt. Hier möchte ich einmal ein Haus hinbauen." Der nette Kerl mit Hamsterbacken ist längst vielfacher Millionär und verkauft nach BMW-Importe nun Nutzfahrzeuge von Mercedes. Fittipaldi reist immer noch mit eigenem Kopfpolster und nutzt Ohropax, "weil ich acht Stunden Schlaf brauch." Ein Wolkenbruch zwingt das Grand Prix-Feld zum Neustart. Gilles Villeneuve übernimmt vom Start weg das Kommando, siegt auch in Long Beach und beim Race of Champions.

Gilles Villeneuve wiegt nur zerbrechliche 58 kg und hat eine Stimme, die für sein knabenhaftes Aussehen gut eine Oktave zu tief ist. Von der Formel 1 hat er immer nur geträumt, von Ferrari nie: "Das ist so, als wenn du eine Superfrau siehst, schön und nett, aber du glaubst, da kriegst du nie eine Chance. Plötzlich hast du sie." Nach seinem glänzenden Debüt 1977 in Silverstone auf McLaren sitzen wir im "Wicken Country Club." Jeder spürt die Sternstunde, nur Teddy Mayer nicht. So landet der Franko-Kanadier nach Laudas Rücktritt bei Ferrari. Jackie Stewart trompetet: Villeneuve, das wird der Superstar der Achtzigerjahre."

Seit 8 Jahren ist Gilles Villeneuve mit der schwarzhaarigen Joanne verheiratet. Sie kommt im Gegensatz zu Frau Scheckter zu jedem Grand Prix und ist fixer Bestandteil der Ferrari-Zeitnehmung. Auch die Kinder Jaques (7) und Melanie (5) werden mitgenommen, zumindest im Sommer. Basislager der Villeneuve-Familie war Nizza und ist seit dem Frühjahr Monte Carlo. "Einerseits ist Gilles eine ruhige Person, mit ausgeglichenen Temperament" verrät Joanne. "Andererseits bracht er immer ein Spielzeug, mit dem er sich austoben kann." Weitere Hobbys? "Mit der Familie am Swimmingpool oder Musik. Die Bee Gees hör ich gern." Lieblingsessen? "Normale Hausmannskost, manchmal Steaks, aber nie Käse." Vorbild? "Ronnie Peterson. Für mich der Schnellste, der je da war, seit ich ihn in Mosport 1973 sah."

An der amerikanischen Westküste geht es alljährlich hoch her: Spielhöllenrummel in Las Vegas, während Mario Andretto im Pazifik Wasserski fährt und Lauda die zahlreichen Flugsimulatoren bis San Diego testet. In Malibu Beach greifen die Piloten schon mal ans Steuer. Es wird ein Wettrennen organisiert, das Elio de Angelis siegreich vor Piquet und Daly beendet. Squash mit Hunt, flotte Partys an allen Ecken und Highlife auf der "Queen Mary". McLaren gewinnt mit "Dressman" Patrick Tambay im Cockpit den traditionellen Preis für das schönste Rennauto auf dem "Ocean Boulevard", da Hauptkonkurrent Nelson Piquet bei der Besichtigung nicht im Brabham, sondern im Beisel um die Ecke sitzt. Derweil bestimmt die Romanze von Nina Rindt und John Watson die Schlagzeilen. Ein Reklamegag? "Nein, nein" protestiert Watson, "das war schon unsere eigene Idee."

"Diese Flügelautos sind ja echt kriminell" knurrt Clay Regazzoni in Spanien. Vor allem die Geschwindigkeit in den Kurven macht den Piloten zu schaffen. Mario Andretti hat dafür nur ein mildes Lächeln übrig: "Die Boys wissen alle nicht, was in Indy los ist. Vier Kurven, immer nur linksherum, die Fliehkraft zieht die Beine nach rechts, als wären sie zusammengewachsen. Darum bremsen Indy-Piloten alle mit dem linken Fuß." In Zolder feiert Jody Scheckter seinen ersten Ferrari-Sieg und legt in Monte Carlo nach. Der ehrgeizige Südafrikaner übernimmt die Führung der Weltmeisterschaft. Seine Pamela lernte Jody vor 10 Jahren kennen. Sie leben mit Sohn Toby im "Estoril" (Appartement) in Monaco. Jochen Mass wurde im "Perigord" heimisch, zusammen mit seiner bildschönen Freundin Estee, Nachwuchs Innes und einem 21jährigen englischen Kindermädchen...

Szenenwechsel Dijon. Die letzten 3 Runden: Villeneuve gegen Rene Arnoux! Infight! Pausenlose Positionswechsel! Spektakuläres Gerangel um Platz 2! Jean-Pierre Jabouille im Renault auf Platz 1. Tonbandanschlüsse, Videogeräte, Monitore, Filmcasetten. Die Wohnung von Jabouille sieht aus wie die NASA-Zentrale. Seit 1976 ist er mit Genevieve verheiratet. Sie ist die Schwester von Bernadette Laffite. Teamkollege Arnoux wuchs bettelarm auf, ging zum Militär und lebte mit seiner Freundin Nelly 2 Jahre in einen winzigen Wohnwagen hinter den Boxen von Magny Cours. Sie lieben Tiere, haben vor einiger Zeit geheiratet und einen Bauernhof in Nevers gekauft. Doch viele halten Didier Pironi für den talentiertesten Franzosen: Formel 3-Sieger im Fürstentum, 30 Minuten-Porträt im Fernsehen und bester Formel 1-Neuling im Vorjahr. Etwas trotzig, aber mit genug Charme, um sich die Tochter des Lotus-Sponsors Essex, Christine Tieme, anzulachen...

Die zweite Saisonhälfte wird von den Williams-Piloten dominiert. Allerdings etwas zu spät, um noch in den Titelkampf einzugreifen. Alan Jones ist immer um gutes Betriebsklima bemüht, plantscht mit den Mechanikern im Hotelpool oder trinkt mit ihnen ein paar Dosen Bier. Einst Verkäufer in Melbourne (Wohnmobile), inzwischen vom Underdog zum Siegesfahrer in der Formel 1 gereift. Der Australier hat mit seiner Frau Beverly ein Traumhaus am Berg in Palos Verdes (Kalifornien) gekauft und ein Baby adoptiert. Doch Hauptwohnsitz bleibt London. Die "beste Nummer 2 der Welt" (Frank Williams) ist Clay Regazzoni. Grundehrlich. Verwegen, Schnauzbart und südländisches Gesicht. Der vierzigjährige Tessiner zieht Frauen magnetisch an, idealerweise zweimal am Tag. Seine Partys sind legendär. Sensationsfotos mit dürftig bekleideten Stewardessen machen die Runde...

Beim GP von Holland überholt Gilles Villeneuve außen in der Tarzan-Kurve Jones, liegt lange in Führung und kämpft mit einem schleichenden Patschen links hinten verzweifelt um seine Titelchance. Dann Reifenplatzer, Dreher und spektakuläre "Dreiradfahrt" (auf der Felge rollend) an die Box. Millionen TV-Fans sehen eine große Show, die allerdings unbelohnt bleibt. Mit loyalen Geleitschutz seines "Schattenmannes" Villeneuve fährt Jody Scheckter in Monza dann vorzeitig zum Weltmeister-Titel. Unbeschreiblich was sich hier abspielt. Erster Ferrari-Doppelsieg seit 1966! Gleichzeitig letzter Grand Prix von Niki Lauda! Was bedeutet dies für Marlene? "Ab jetzt braucht sie nie wieder meinen Overall waschen." Zukunftspläne? Lauda-Air? "Ja. Und wenn ich 80 bin, möcht ich in Hof sitzen, auf den Fuschlsee runterschauen und ein Viertel trinken."

Quelle: Heinz Prüller Grand Prix-Story 1979 (Bearbeitung: Tom Distler von Motorsport Yesterday)