STORYS 1981

Motorsport Yesterday: Anekdoten und Fahrer-Storys 1981

"Damals war die Formel 1 ein sehr, sehr kleiner Kreis. Da war mehr Herz in den Ganzen. Sechs oder Sieben Journalisten sind das ganze Jahr über mitgereist, verbrachten viel Zeit mit den Teams und Fahrern. Ich war halt einer von ihnen." (Heinz Prüller, 1998)


Danke Grand Prix Story 1981
Danke Grand Prix Story 1981

Rezension - Die Stimme von Heinz Prüller begleitete mich durch die Jahrzehnte. Bis zum Jahr 2000 kommentierte der Österreicher bereits über 500 Formel 1-Rennen. Eine absolute Kaufempfehlung für gemütliche Winterabende ist seine Grand Prix-Story! Nachfolgend ein paar Anekdoten und Fahrer-Storys (etwas gekürzt und umgestaltet) zur 1981er Ausgabe: Piquet Weltmeister! Reutemann verraten! Warum Niki Lauda wieder fährt!

Comeback schon in Le Mans? "Nein. Weil i nix zum Anziehen hab! Meinen Overall hat der Sante Ghedini." Dieser hat sich in seinem Modena-Haus einen einmaligen Lauda-Wand-Altar errichtet: Overall, Helm, Sturmhaube, Socken und Rennschuhe! Niki Lauda hat ihn den ganzen Kram hinterlassen, 1979 in Montreal, als er über Nacht alles hinschmiss. Ob und wie oft Sante vor seinem Lauda-Privataltar kniet oder betet, ist allerdings nicht bekannt...

Riccardo Patrese fährt besser als je zuvor. Wahrscheinlich weil er die Freundin gewechselt hat. Nicht mehr Suzy, mit der er einen kleinen Buben hat, sondern Elisabetta Melidoni ist inzwischen an seiner Seite. Ihr Vater ist Sportchef bei einer italienischen Zeitung. Dieser hat noch drei weitere Töchter. Eine davon (Rita) ist bereits mit Eddie Cheever verheiratet. Nicht auszudenken, was im Formel 1-Zirkus los ist, wenn auch noch die restlichen Melidoni-Schwestern auftauchen...

Jean-Pierre Jabouille kann wegen seines Unfalls in Montreal 1980 nicht in die neue Saison starten. Tags darauf spielte uns Jean Sage im Hotel (Kanada) bereits eine Grußbotschaft vor: "Liebe Freunde: Erstens, es geht mir gut. Zweitens wollt ihr wahrscheinlich alle von mir wissen, ob die kanadischen Krankenschwestern etwas unter ihrer Uniform tragen. Also, die Antwort heißt..." (Klick, hier schnappte das Tonband ab)

Die Superstrände von Rio! Trotz Sturmwarnung und roter Fahnen muss Lotus-Rennleiter Peter Collins unbedingt den Tapferen spielen und schwimmen gehen. Er kommt in den meterhohen Wellen fast um, "schreit um Hilfe und ist schon ganz blau im Gesicht." Elio de Angelis eilt zu Hilfe und kommt selbst in Seenot. Darauf rettet Nigel Mansell, der Rettungsschwimmer, zuerst Elio, und dann ziehen sie gemeinsam ihren völlig erschöpften Techniker aus dem Meer...

Sonntag dann Doppelsieg und Stallkrieg bei Williams: "Warum hast du auf meine Boxensignale nicht reagiert?" fragt Frank Williams, statt zu gratulieren. Carlos Reutemann schaut ihn verdattert an: "Was für Signale?" Worauf Alan Jones, der dazu tritt, die Hände vors Gesicht schlägt: "Blind ist er auch noch!" Reden tun die beiden dennoch miteinander, wie mir Williams erklärt, "aber meistens nur im Wohnmobil. Oder über ihre Farmen, wenn sie Bauerntricks austauschen. Aber schau dir Ferrari an: Glaubt du, Villeneuve und Pironi küssen einander jeden Tag? Oder de Angelis Mansell bei Lotus?"

Was mich an Nelson Piquet fasziniert: Wie locker, bescheiden und normal er im sittenverderbenden Formel 1- Zirkus geblieben ist. Er ist auch 10 Minuten vor den Rennen noch ansprechbar. Was ist das Wichtigste für dich? "Dass ich gesund und glücklich bin und ein schönes Leben vor mir hab." Seine große Liebe ist seit Anfang 1980 das holländische Fotomodell Silvia Agusta, vormals Kaiser, eine echte Gräfin, weil sie vorher eine Zeitlang mit dem italienischen Motorrad- und Hubschrauberkönig Conte Agusta verheiratet war. Die zwei führen ein Zigeunerleben: In einem brasilianischen Strandhaus, in der Nähe der Brabham-Fabrik an der Themse und in Monte Carlo im gleichen Haus wie Skistar Stenmark...

Für Enzo Ferrari ist Gilles Villeneuve ein "absoluter Champion, sowie früher Tazio Nuvolari", das Ledergesicht aus Mantua, von dem sie Heldentaten erzählen. Doch viel Sonne verträgt der Kanadier nicht. Wir treffen uns jeden Winter bei Skiweltcuprennen. Per Hubschrauber geht es durch die Nebelsuppe nach Val d`Isere. Per Autostopp wollen die Freunde Villeneuve und Patrick Tambay dann zur Abfahrtsstrecke. Sie winken, zum Glück kommt Grissmann, erkennt aber nur Tambay und sagt: "Den Kleinen mit der Zipfelmütze kannst auch einsteigen lassen." Auf den Comosee im September überholt Villeneuve im Rennboot dann zwei Konkurrenten in der Luft und gewinnt einen organisierten Motorboot-Grand-Prix für Formel 1-Fahrer...

Didier Pironi ist eine echte Wasserratte: "Windsurfen betreib ich z.B. schon seit 5 Jahren". Einmal entdecken Pironi und sein Cousin Jose Dolhem auf einer Bootstour durch das Mittelmeer einen springenden Fisch. Abwechselnd springen sie zu ihm in Wasser. Ein Raubfisch, wie sich später heraus stellt. Seine Ferrari-Karriere beginnt als Dressman für ein Herrenmagazin. Auch die Testfahrten sind vielversprechend. Enzo Ferrari ist begeistert: "Mit Pironi und Villeneuve habe ich die zwei schnellsten Piloten der Welt." Auch Niki Lauda äußert sich: "Diese Rivalität ist ungesund. Die zwei werden einander jagen, bis einer bös rausfliegt." Pironi lebt mit seiner Schweizer Freundin in Genf und ist Stammgast bei den exquisiten St.-Tropez-Parties...

Regen in Zolder! Rene Arnoux fährt Stocksauer über seine Nichtqualifikation aus dem Autodrom. Eine falsche Ausfahrt und ein übereifriger Aufpasser später: Es kommt, wie es kommen muss. Der Belgier setzt sich auf die Motorhaube und der Franzose gibt einfach Gas, fährt mit seiner lebenden Kühlerfigur, die sich krampfhaft festhält, die 3 Kilometer ins Hotel... und versteckt sich dort in der Küche. Großer Gendarmerie-Auftritt! Jaques Laffite verschlimmert die Lage noch, in dem er grinsend auf Jean-Pierre Jabouille zeigt: "Das ist Monsieur Arnoux." Später wird Arnoux vom Abendessen weg verhaftet...

Klein, aber forsch, hohe Absätze, Fliegerjacke, Pilotensonnenbrillen und meist eine Zigarillo in der Hand: Keijo Rosberg wirkt, als wäre er gerade dem Playboy-Heft entsprungen. Oft sagt er: "Es kann nicht mehr schlimmer kommen", um sich zu korrigieren: "Ich hab mich geirrt!" Die doppelten Nichtqualifikationen im Team Fittipaldi häufen sich. Vor allem sein Teamkollege Chico Serra bleibt so, wie seine Gesichtsfarbe ist: Recht blass! Der Brasilianer und seine Frau sehen einander ähnlich wie Geschwister: Beide wirken still, unauffällig und etwas langsam. Dennoch ist Monte Carlo ein Tollhaus: Sieger Gilles Villeneuve ist unheimlich aufgedreht, redet und sprudelt dreisprachig ohne Pause. Nelson Piquet liegt derweil auf der Yacht und lässt sich von Silvia die vom vielen Schalten aufgerissenen Hände eincremen...

"Elio de Angelis und Nigel Mansell sind beides angehende Weltmeister", trompetet Colin Chapman. Vater de Angelis hat eine große Baugesellschaft auf Sardinien. Der Sohn spielt Piano, fliegt im Privatjet zu den Rennen (Kennzeichen DE AN) und ist ständig vom kompletten Familienclan umlagert. Mansell ist gelernter Computer-Ingenieur und hat alles verkauft, versetzt, verpfändet, nur um Rennfahrer zu werden: Das Haus, die Gewehre und die Lebensversicherung! Er war Boxer, Karatekämpfer und spielt Golf (Handicap 6). Seine Frau Rosanne (verheiratet seit 1975) ließ alles zu, weil ihr Vertrauen grenzenlos war...

Alle vergöttern oder verteufeln die Turbo-Rakete im Renault-Heck. Nahezu gleichzeitig verlängern die Piloten ihre Verträge. Trainingsweltmeister sind sie schon. Wie fast alle Formel 1-Franzosen ist auch Alain Prost verheiratet. Ganz bodenständig: Mit Annemarie, einer Volksschullehrerin aus seinem Heimatdorf in St. Chamond. "Zwischen Zeltweg und Zandvoort" wird Prost zum erstenmal Vater: Ein gesunder, kräftiger Bub, "ganz wie bestellt. Er heißt Nicolas." Rene Arnoux lacht gern und oft, aber nur unter Leuten, die er sehr gut kennt. Sonst ist er introvertiert, redet wenig. Dijon wird ein Drama in zwei Akten und Prost nach seinem ersten Formel 1-Sieg zum Helden...

Der 35jährige Junggeselle John Watson ist ein netter Kerl, den alle mögen, aber - weil sein erster, einziger, letzter Sieg auf Zeltweg 1976 zurückreicht - schon fast ein Mann von gestern. Er gilt als Pechvogel, doch dann kommt der Heimsieg in Silverstone!

Jaques Laffite ist im guten Sinn der typische Club-mediterrane-Franzose. Er macht alles mit, jeden Wettbewerb, spielt Tennis, tanzt wie ein Verrückter und tritt auch als Sänger auf. Monsieur 100.000 Volt gewinnt in Österreich, Kanada und fährt um den Titel!

Eddie Chever ist seit Frühling nicht mehr Vegetarier. "Ich hab mich total kaputt gefühlt und der Arzt hat mir geraten: Esse Fisch und auch etwas Fleisch. Die ersten Tage kam ich mir vor wie ein Kannibale." Von Phönix, Arizona hat es ihn nach Rom verschlagen, weil dort sein Vater ein paar Fitnessinstitute aufzog. Bei einem Kinderfest im de Angelis-Haus hat er mit 15 seine Rita (damals 13) kennengelernt. Sie ist regelmäßig im Fahrerlager, erledigt PR-Arbeit und erzählt: "Eddie liest viel, ist ein echter Fitness-Freak, aber wenn er sich am Abend vor den Fernseher sitzt, dann rührt er sich nimmer weg..."

An seinem Finger funkelt der Indy-Ring von 1969, am Hals baumelt der Christophorus aus massivem Gold und wenn Mario Gabriele Andretti am Swimmingpool einschläft, dann schnarcht er neuerdings. Bruno Giacomelli heißt der zweite Alfa-Fahrer. Seine Story ist abenteuerlich. Die Mama Bedienerin, bettelarm, 3 Buben. Der Vater Bauarbeiter. Giacomelli schafft 40 Liegestützen mit einer Hand, wie früher der kanadische Skirennläufer Jim Hunter. In Long Beach trifft er das Mädchen, dass er heiraten möchte: Eine kalifornische Konzertpianistin, vornehmlich Klassik...

Das Finale in Las Vegas hat viele Helden: Einen stahlenden wie Jones. Einen völlig erschöpften wie Piquet. Einen tragischen wie Reutemann. Unbelohnte wie Prost und Laffite. "Was ist, bin ich World Champion?" fragt Nelson Piquet, überwältigt von Anstrengung, Stress und Emotionen, unfähig selber die Gurte zu öffnen oder auszusteigen. Tränen rinnen über sein Gesicht. Von der Siegerehrung geht es direkt ins Medical-Center. Silvia mit Plüsch-Glücksschwein an seiner Seite...

Quelle: Heinz Prüller Grand Prix-Story 1981 (Bearbeitung: Tom Distler / Motorsport Yesterday)